Ausgrenzung und Verfolgung im Nationalsozialismus
1933-1945
Am 30. Januar 1933 übernehmen die Nazis unter Adolf Hitler die Macht in Deutschland. Auch in Gelsenkirchen verfolgen sie politische Gegner*innen. Juden und Jüdinnen sind antisemitischen Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt. Im Rahmen eines reichsweiten „Boykotts“ jüdischer Geschäfte im April 1933 hindern SA und SS die Menschen daran, in Kaufhäusern wie Althoff in Buer und Alsdorf in der Gelsenkirchener Altstadt einzukaufen. Auch vor dem Bettenfachgeschäft Neuwald postieren sich Nazis.
Per Gesetz werden jüdische Beamt*innen und politische Gegner*innen aus der Verwaltung entfernt. Mit den „Nürnberger Gesetzen“ wird ab 1935 der Ausschluss jüdischer Menschen aus Staat und Gesellschaft vorangetrieben. Entscheidend ist die angeblich „arische“ oder „nicht-arische“ Abstammung nach rassistischen Kriterien, nicht die tatsächliche Zugehörigkeit zum Judentum oder zur jüdischen Gemeinde. Jüdische Kinder und Jugendliche müssen die öffentlichen Schulen verlassen. Viele nicht-jüdische Deutsche profitieren vom Raub jüdischen Eigentums. Alles geschieht ganz offen – auch die Gelsenkirchener Zeitungen verkünden, wenn jüdischer Besitz „arisiert“ ist. Im November 1938 werden bei reichsweiten Pogromen die Synagogen in Gelsenkirchen und Buer in Brand gesetzt, Geschäfte zerstört und der jüdische Friedhof in Buer geschändet. Viele Juden und Jüdinnen versuchen, ins Ausland zu fliehen.
Gau-Parteitag der nordwestfälischen NSDAP in Gelsenkirchen, 1937. Teile der Gelsenkirchener Bevölkerung empfangen den Reichsorganisationsleiter Robert Ley mit dem Hitlergruß.
(Foto: Kurt Müller / Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Hetzartikel gegen die Gelsenkirchener Metzgerei Grüneberg in der Nazi-Zeitung „Der Stürmer“, Oktober 1934. Der Artikel wirft dem Metzger Paul Grüneberg vor, verdorbenes Fleisch zu verkaufen und Angestellte auszubeuten. Obwohl er dagegen klagt und vor Gericht Recht bekommt, ist sein Ruf ruiniert. Später gibt er das Geschäft auf. Die Familie Grüneberg wird im Januar 1942 nach Riga deportiert, nur die Tochter Hannelore überlebt.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Die Bochumer Straße im Juni 1938 während eines NSDAP-Gauparteitags. Lediglich das Möbelhaus Rosenberg (Bildmitte, rechte Straßenseite), das einer jüdischen Familie gehört, hat keine Hakenkreuz-Fahnen gehisst.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Bericht über den Ausschluss jüdischer Kinder aus den Volksschulen in Buer, National-Zeitung vom 14. Januar 1937. Auch aus Sport- und anderen Vereinen werden jüdische Kinder und Jugendliche ausgeschlossen. So lange es noch geht, bieten ihnen jüdische Sportorganisationen, die Israelitische Volksschule und die jüdische Gemeinde einen Rückzugsraum.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Anzeige in der National-Zeitung vom 5. November 1938. Die Ehefrau des FC Schalke 04-Spielers Fritz Szepan hat das Textilgeschäft am Schalker Markt zuvor von Sally und Henriette Meyer erworben – für eine sehr niedrige Summe, die die jüdischen Vorbesitzer*innen wegen der antisemitischen Politik notgedrungen akzeptieren müssen. Die Stadtchronik für 1938 verzeichnet: „das bisher jüdische Kaufhaus…[ist] in arische Hände übergegangen“. Das Jahreseinkommen der Familie Szepan verzehnfacht sich in den kommenden Jahren. Sally und Henriette Meyer überleben die Schoah nicht.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Die Synagoge in Gelsenkirchen nach der Brandstiftung vom 9./10. November 1938. Danach muss die jüdische Gemeinde die Brandruine auf eigene Kosten abreißen. In der Pogromnacht, später „Reichskristallnacht“ genannt, werden auch zahlreiche Geschäfte auf den Einkaufsstraßen zerstört und viele Juden und Jüdinnen verletzt. Nach diesen gewalttätigen Erfahrungen verlassen viele die Stadt und Deutschland.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Bericht über die antijüdischen Pogrome in der Buerschen Zeitung, 11. November 1938. Hier ist von „Demonstrationen gegen die Juden“ die Rede, die durch das Attentat auf den deutschen Botschaftsangehörigen Ernst Eduard von Rath in Paris durch den polnisch-jüdischen Herschel Grynszpan aus Hannover ausgelöst worden seien. Grynszpan hat zuvor von der Abschiebung seiner Eltern aus Hannover nach Polen erfahren – die erste aktive Vertreibung von Juden und Jüdinnen aus Deutschland. Sein Attentat dient als Vorwand für die Pogrome in Deutschland.
Anordnung des Gelsenkirchener Baupolizeiamts an die jüdische Gemeinde, „sofort die baufällige Synagoge Stürmerstraße No. 6 und das daneben liegende baufällige Gemeindehaus“ abzureißen, 10. November 1938. Das Gemeindehaus hat die Gemeinde noch zu Jahresbeginn mit Genehmigung der Behörden umgebaut und einen Saal geschaffen, der in drei Veranstaltungsräume unterteilt werden kann.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)