Jüdische Gelsenkirchener
Rabbiner in Gelsenkirchen: Dr. Siegfried Galliner
1875-1960
Siegfried Galliner stammt aus Ostpreußen und hat in Berlin u.a. Philosophie und orientalische Sprachen studiert, bevor er dort am Rabbiner-Seminar seine Autorisation als Rabbiner erhält. Ab 1904 leitet er die Religionsschule in Beuthen/Schlesien.
1914 kommt er zur jüdischen Gemeinde nach Gelsenkirchen. Seine Hauptaufgabe als Rabbiner ist die Lehre der Thora, der fünf Bücher Moses. Entsprechend predigt er in der Synagoge, unterrichtet jüdische Religion und hebräische Sprache an höheren Schulen. Er regt an, einen jüdischen Schülerbund zu gründen, engagiert er sich in örtlichen und überregionalen jüdischen Vereinen, hält Vorträge über das Judentum. Nach 1933 hilft er Schüler*innen und Gemeindemitgliedern bei der Flucht aus Deutschland.
Dr. Siegfried Galliner und seine Frau Rose Elise (genannt Else) bei einem Ausflug mit einer jüdischen Schüler*innengruppe, vor 1938.
Rose Elise Galliner stirbt 1938 an Krebs. 1939 emigriert Siegfried Galliner nach London, wo er 1960 mit 85 Jahren stirbt. Dieses ist das einzige von überlieferte Foto von ihm.
Unten: Erich Silverberg, Hans Alexander, Ernst Back, Heinz Löwenthal, Sam Diament, Hermann Cohen; oben: Werner Alexander, Meyer, Else Galliner, Uta Meyer, Dr. Siegfried Galliner, Fred Gompertz, Bernd Haase, Alexander, Hans Schul.
(Foto: Klaus Back; Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Lehrer und Prediger in Buer und Horst: Gustav Bär
1884-1952
Seit 1903 ist der aus Hessen stammende Gustav Bär als Prediger und Religionslehrer der jüdischen Gemeinde Dorsten tätig. Gemeinsam mit einem Kollegen ist er für ein riesiges Gebiet mit mehreren Untergemeinden zuständig, so auch für Buer und Horst. Buer ist seit 1911 Stadt und die dortige Untergemeinde wächst besonders stark. Bär zieht 1913 dorthin, bleibt aber weiter auch für Dorsten, Bottrop, Gladbeck und Horst zuständig.
Er gibt den Kindern Religions- und Hebräischunterricht, wohnt dem Schächten bei, dem Schlachten der Tiere nach jüdischem Ritus, ist Vorbeter bei Gottesdiensten, organisiert Ferienlager für Kinder und Jugendliche. Seine Frau Johanna leitet die „Israelitische Frauen-Vereinigung“ in Buer. Als sich die Gemeinde in Buer 1932 verselbstständigt, geht Bär in den Ruhestand.
Nach 1933 unterstützt er auswanderungswillige Juden und Jüdinnen sowie Eltern, die ihre Kinder zum Schutz vor den Nazis ins Ausland schicken. 1938 flieht er in die USA.
Erstes Foto: Ehepaar Johanna und Gustav Bär
Zweites Foto: Gustav Bär, Bild vermutlich aus 1940er-Jahren.
(Stratmann, Synagoge in Buer, 1992)
Übersicht über den jüdischen Religionsunterricht in der Synagogengemeinde Dorsten, 1903.
Demnach nehmen in Buer drei Schüler am Unterricht teil, der von mittags 12.30 bis 14.30 Uhr dauert und zum Beispiel „Hebräisch lesen“ sowie das Übersetzen von Gebeten aus der Thora („Pentateuch“) umfasst. In den Jahren darauf nimmt die Zahl der Schüler stark zu.
(Stratmann, Synagoge in Buer, 1992)
Dienstsiegel der Synagogengemeinden Buer, Bottrop, Gladbeck, Horst, Dorsten für Seelsorger und Prediger Bär, Buer i. W.
(Stratmann, Synagoge in Buer, 1992)
Kaufmann und Patriot: Leo Gompertz
1887-1968
Leo Gompertz gehört zu den selbstbewussten Juden Gelsenkirchens. Sie wollen als gleichgestellte Staatsbürger anerkannt sein und vertreten trotz antisemitischer Anfeindungen auch nationale Positionen. Schon als Jugendlicher ist Gompertz für die jüdische Gemeinde aktiv. Nach dem Ersten Weltkrieg wird er Vorsitzender des Reichbundes jüdischer Frontsoldaten in Gelsenkirchen und ist Mitglied im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.
1933 plädiert er zunächst für ein Bleiben der Juden und Jüdinnen in Deutschland. Doch nach den Angriffen in der Reichspogromnacht emigriert er mit seiner Familie in die USA. Nach 1945 unterstützt er von dort aus das Jüdische Hilfskomitee und die Neugründung der Gemeinde in Gelsenkirchen.
Geschäftshaus der Firma Albert Gompertz an der Ecke Bahnhofstraße/Klosterstraße in Gelsenkirchen in den 1920er-Jahren.
(M. Arendt, Städtebau, 1922)
Briefkopf der Firma Gompertz
(Privatbesitz Gompertz / Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Leo Gompertz als Soldat im Kreise von Familienmitgliedern, 1916.
(Privatbesitz Gompertz / Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Leo Gompertz als Redner bei einer Veranstaltung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten bei Haus Berta.
Das Ferienheim in Altschermbeck auf einem Grundstück des Kaufmanns Julius Goldschmidt dient vor allem in den Jahren zwischen 1933 bis 1938 als Erholungsheim für Kinder und Jugendliche, bis es 1937 während eines Sabbatgottesdienstes von der Gestapo geschlossen und in der Reichspogromnacht im November 1938 niedergebrannt wird.
(Privatbesitz, zur Verfügung gestellt von Wolfgang Bornebusch / Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)
Wahlaufruf für Paul von Hindenburg mit Unterschriften von Leo Gompertz und Dr. Siegfried Galliner, Buersche Volkszeitung, 9. Februar 1932. Der Monarchist Paul von Hindenburg, Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg, ist seit 1925 Reichspräsident und gewinnt 1932 erneut die Wahl. Am 30. Januar 1933 beruft er Adolf Hitler zum Reichskanzler.
(Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen)